Wirtschaft & Gewerbe

Programmentwurf

Kommunale Gewerbeentwicklung

- örtliches Gewerbe stärken
- Kleingewerbe fördern!!
- Lokale Vermarktung fördern
- Unterstützung bei der digitalen und energetischen Transformation
- Unterstützung und Schaffung entsprechender Onlineplattformen
- Vernetzung lokaler Betriebe & Geschäfte
- Einsatz für die Reduzierung bürokratischen Aufwandes insbesondere für Kleinbetriebe

Keine Großprojekte Gewerbe „auf der Heide“ (z.B. in Harb)

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Hintergrund / Presse

Vor Ort und im Netz verkaufen

KA / 16.02.2021

„Wirtschaftsforum Wetterau“ der Wirtschaftsförderung will Beispiele für innovative Vertriebskanäle aufzeigen

WETTERAUKREIS (red). Online-Handel oder Ladengeschäft? Das muss nach Ansicht der Wirtschaftsförderung Wetterau kein Widerspruch sein. Darauf will sie während ihrer nächsten Veranstaltung hinweisen: Mit „Wie Online-Kanäle stationären Handel und Dienstleistungen stärken“ ist das „Wirtschaftsforum Wetterau 2021“ überschrieben. Zu der digitalen Veranstaltung sind vor allem Händler, Dienstleister und Kommunen, aber auch andere Interessierte für Mittwoch, 24. Februar, ab 18 Uhr eingeladen.

Der stationäre Handel und die Dienstleistungen vor Ort seien von den pandemiebedingten Einschnitten besonders betroffen. „Zahlreichen Gewerbetreibenden ist durch die behördlich notwendigen Einschränkungen teilweise die gesamte Geschäftsgrundlage entzogen worden“, sagt Oliver Schmidt, Projektmanager bei der Wirtschaftsförderung Wetterau.

Welche Angebote und Hilfen es in dieser schwierigen Situation für die heimischen Unternehmen gibt, darauf weist die Wirtschaftsförderung mit Sitz in Friedberg regelmäßig auf ihrer Homepage und in ihrem Newsletter hin. Beim „Wirtschaftsforum Wetterau“ sollen nun Betroffene zu Wort kommen, die neue Wege gehen, um in der Krise zu bestehen.

Zunächst wird Projektmanager Schmidt auf die Auswirkungen der Pandemie auf die heimische Wirtschaft eingehen. Ebenso wird er aktuelle Unterstützungsprogramme vorstellen, etwa die Überbrückungshilfe III, bei der Unternehmen von November 2020 bis Juni 2021 bis zu 1,5 Millionen Euro pro Monat erhalten können.

Darüber hinaus, so die Wirtschaftsförderung, stellten sich die Unternehmen, Gewerbevereine und Kommunen die Frage, wie sie mit eigenen Aktivitäten auf die Krise reagieren können. Eine Überlegung sei gewesen, die lokalen Angebote der Händler und Gastronomen auch online abzubilden. „Denn der Online-Handel konnte von der Krise stark profitieren“, sagt Schmidt. „So wollte man einen Teil des Gewinns wieder in den stationären Handel zurückzuholen.“ Herausgekommen seien meist Online-Schaufenster-Lösungen: Die Händler bildeten ihre Produkte und Dienstleistungen online ab. Das funktioniere, aber: „Wir wollen einen Schritt weitergehen und besondere, innovative Beispiele von Online-Kanälen vorstellen“, sagt Schmidt.

Denn, so erklärt der Projektmanager: Die Corona-Pandemie sei zwar ein Beschleuniger für solche Aktivitäten, zeige aber auch, dass die zugrunde liegende Thematik eine langfristige sei, die mit der grundsätzlichen Haltung der stationären Betriebe gegenüber Online-Vertriebskanälen zusammenhänge. Aus Sicht der Wirtschaftsförderer bieten sowohl der stationäre als auch der Online-Handel verschiedene Vor- und Nachteile für den Kunden. Nicht zwangsläufig seien sie dadurch Konkurrenten. „In einer Synergie und zunehmenden Hybridisierung sehen wir das Potenzial der regionalen Anbieter, sich auch langfristig gegenüber den reinen Online-Häusern zu behaupten.“

Diesen Standpunkt vertritt auch Prof. Dr. Shyda Valizade-Funder von der Hochschule Darmstadt: Sie hält beim Wirtschaftsforum einen Kurzvortrag über „Online-Plattformen und digitale Vertriebswege mit Mehrwert für Anbieter und Kunden“.

Wie das in der Praxis funktionieren kann, wird anhand von zwei Online-Plattformen vorgestellt. Zum einen ist das „zircl.de“ aus Friedrichsdorf mit über 200 Unternehmen, zum anderen „regyonal“ aus Hungen mit über 400 Unternehmen. „Beide Anbieter haben ein innovatives, überregionales Konzept, das über ein rein digitales Schaufenster hinausgeht und den ,stationären‘ Bereich neu interpretiert. Dennoch bieten die Plattformen einen niedrigschwelligen Einstieg für die Händler und haben aus unserer Sicht langfristiges Potenzial“, sagt Schmidt.

Aus diesem Grund werden an diesem Abend nicht nur die beiden Geschäftsführer Daniel Gal (GAL Digital GmbH – „regyonal“) und Philipp Jones (Zircl GmbH – „zircl.de“) zu Wort kommen und ihre Plattformen vorstellen. Vor allem sollen Anwender von ihren Erfahrungen berichten. „Wir möchten Erfahrungen und Lösungsansätze aufzeigen – insbesondere aus der Perspektive der betroffenen Unternehmen und Kommunen“, sagt Schmidt.

Bei „zircl.de“ wird dies Monika Jost sein. Die Wirtschaftsförderin der Stadt Friedrichsdorf spricht über „Erfahrungen und Lösungsansätze einer Kommune zur Stärkung der lokalen Wirtschaft“. Das Besondere an diesem Beispiel sei die Kooperation zwischen Stadt und Plattform-Anbieter. Auch auf „zircl.de“ gebe es ein Schaufenster-Angebot: Der Kunde könne nach bestimmten Produkten und Händlern suchen, die Suche werde aber in einem bestimmten Radius durchgeführt, sei also kunden- und produktorientiert und nicht auf eine Kommune beschränkt. „Das ist das niedrigschwelligste Angebot dieser Plattform“, erklärt Schmidt. „Das Spektrum führt weiter etwa über eine Chat-Funktion und eine Online-Termin-Vereinbarung bis hin zum möglichen Betrieb eines eigenen Online-Shops.“

Auch die Ausrichtung von „regyonal“ sei besonders. „Das Neue hieran ist: Der Online-Kanal denkt den Innenstadtgedanken mit“, erklärt Schmidt. „Es gibt in diesem Konzept immer auch ein Geschäft vor Ort, samt persönlicher Beratung durch Verkäufer.“ Das Portal biete einen Such- und Bestellvorgang über Videotelefonie an, dabei gehe es meist um Markenprodukte. Dadurch, dass das Produkt auf diese Weise vorab gesucht werden könne, ersparten sich die Kunden unnötige Fahrten in die Stadt – und die Enttäuschung, wenn ihr gewünschtes Produkt dann doch nirgends zu finden ist. So müsse der Kunde tatsächlich nur dann in die Innenstadt, wenn er sein Wunschprodukt abholt.

Seine Erfahrungen mit dieser Form des Handels wird Jochen Ruths vom gleichnamigen Modehaus in Friedberg mit den Teilnehmern teilen. Er betreibt zwar auch ein eigenes Online-Portal, ist aber ebenso an „regyonal“ angebunden. Ruths spricht aber nicht nur aus seiner unternehmerischen Sicht, sondern auch als Präsident des Hessischen Einzelhandelsverbands und Vizepräsident der IHK Gießen-Friedberg. So wird er die Herausforderungen der Digitalisierung und die langfristigen Auswirkungen von Corona auf den lokalen Handel in den Fokus nehmen.

Bernd-Uwe Domes, mit Klaus Karger der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung, richtet den Blick auf das Thema Stadtentwicklung. „Innenstädte sind wichtig für das Gesicht einer Stadt“, sagt er. Vielerorts gebe es dort Funktionsverluste – die schon vor Corona begonnen hätten. „Das Ziel muss sein, die Innenstädte als lebendige Orte zu erhalten, die eine Aufenthaltsqualität bieten.“ Nach den Vorträgen werden zwei digitale Räume geöffnet, in denen die Teilnehmer mit den Referenten in Kontakt treten, Fragen stellen und weitere Infos einholen können.

Das „Wirtschaftsforum Wetterau 2021“ wird als Zoom-Konferenz stattfinden. Die Zugangsdaten können per E-Mail an anmeldung@wfg-wetterau.de oder unter der Rufnummer 06031/772690 angefordert werden.

Regional, ökologisch und mit Herzblut

Zu Besuch im „Hofstüberl“ in Wolferborn / Sabine Daschmann und Michael Schmidt schreiben mit ihrem kleinen Lebensmittellädchen eine Erfolgsgeschichte

Von Paulina Schick
Kreis-Anzeiger, 23.01.2021

WOLFERBORN. Regional und ökologisch produzierte Lebensmittel scheinen für immer mehr Menschen an Bedeutung zu gewinnen. Gleichzeitig ist es schwierig, der Massenproduktion und dem Konsum Herr zu werden. Sabine Daschmann und Michael Schmidt bekommen diese beiden Seiten hautnah mit: Gemeinsam betreiben sie seit Oktober 2019 das „Hofstüberl“ in Wolferborn „Am Mühlgraben“. Sie verkaufen dort Lebensmittel, aber anders: „Weg von Massenabfertigung und Billigprodukten“ lautet das Credo in dem kleinen Laden – Qualität ist es, worauf es dem Paar ankommt.

Damit sind sie eine echte Alternative zu großen Supermärkten: Die meisten ihrer Erzeuger kennen sie persönlich, ihre Produkte sind regional, ein Großteil im unmittelbaren Umkreis produziert. Dabei wird ihnen aber auch immer wieder klar, wie viele Menschen im uneingeschränkten Überfluss den Bezug zu ihren Lebensmitteln verloren haben – den Bezug dazu, wie viel Arbeit eigentlich dahintersteckt, bis die Lebensmittel auf dem Tisch landen.

Nachts um Eins fährt Michael Schmidt los, nach Frankfurt ins Frischezentrum. Dort verbringt er die ganze Nacht damit, Ware genauestens in Augenschein zu nehmen, Preise zu vergleichen und einzukaufen. Die Lebensmittel kauft Schmidt hauptsächlich von Direktvermarktern: „Ich kaufe dort alles von kleinen Bauern aus der Umgebung, zum Beispiel aus Darmstadt oder Ober-Erlenbach, die ihre Ware in Frankfurt anbieten.“ Zweimal in der Woche macht er das. Und wenn der Tag anbricht: zurück nach Wolferborn, die Ware ausräumen, den Laden öffnen, in der Mittagspause zwischen 13 und 16 Uhr Bestellungen packen, den Lieferservice stemmen.

Dabei hat eigentlich alles mit einem Schild und ein paar Hühnereiern angefangen. „Wir hatten immer Hühner und haben die Eier zum Verkauf angeboten“, erinnert sich das Paar an die Anfänge. „Oft fragten Leute, ob wir nicht auch Kartoffeln oder Zwiebeln hätten.“ Und so nahm es seinen Lauf: Ganz klein fingen sie an und boten zunächst, gemäß der Nachfrage, Kartoffeln und Zwiebeln von einem Händler aus der Nähe an. „Ich wollte die Sache eher klein halten, das hat sich aber nicht lange halten können“, schmunzelt Sabine Daschmann, die nebenbei halbtags in einer Alten- und Pflegeeinrichtung in Hirzenhain arbeitet und Inhaberin des „Hofstüberl“ ist. Sie hat bereits ihre Kindheit in Wolferborn verbracht, zog mit ihrem Lebensgefährten nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 2016 wieder dorthin zurück. Die hatte an Ort und Stelle zuvor schon jahrelang einen kleinen Getränkemarkt geleitet – das „Hofstüberl“ sollte ihn jetzt wiederbeleben. Klein angefangen auf etwa acht Quadratmetern im Innenbereich und mit Öffnungszeiten von Donnerstag bis Samstag. „Das hat sich immer mehr hochgeschaukelt“, stellt Michael Schmidt fest. Aus Bleichenbach stammend bekam er bereits sehr früh Einblicke in ein Großhandelsunternehmen im Ort, verkaufte lange Zeit Süßwaren auf verschiedenen Märkten und kannte sich dadurch schon aus im Handel.

So wurde das Angebot im „Hofstüberl“ immer breiter, irgendwann kamen Südfrüchte hinzu, Trauben, Zitronen, Clementinen. „Wir achten dabei auf kurze Wege“, erklärt das Paar. Schließlich gebe es das meiste auch aus Österreich und Italien, in wesentlich kürzerer Entfernung zu Deutschland als etwa Spanien oder Afrika. „Hauptsächlich arbeiten wir jedoch mit Landwirten unmittelbar aus der Umgebung“, erzählt Schmidt.

Heute hat das „Hofstüberl“ an fünf Tagen in der Woche geöffnet: Der Laden ist inzwischen ein Vollzeitjob geworden. Eigene Eier verkauft das Paar noch immer. „Allerdings brauchen wir 500 Stück in der Woche“, sagt Michael Schmidt. Um diesen Bedarf zu decken, stimmt er sich kurzfristig mit den Landwirten aus der Region ab. „Ich schreibe einfach kurz eine Nachricht, wer gerade so viele Eier da hat, und dann fahre ich sie abholen.“ Fleischwaren bekommt er täglich frisch vom Bauernhof Velte in Bindsachsen, Honig kommt ebenfalls aus unmittelbarer Nähe von der Naturimkerei Zimmermann in Rinderbügen, Ziegenkäse vom Ziegenhof Bretthauer in Leisenwald und Milchprodukte vom Weidenhof in Wächtersbach. „Irgendwann fragten immer mehr Kunden, ob ich nicht auch Backwaren hätte“, erzählt der gebürtige Bleichenbacher. Dann sei er auf den Regenbogenhof in Kirchbracht aufmerksam geworden, der ihn seitdem mit hofeigenen Bio-Vollkornbackwaren versorgt. Im Sommer gibt es Erdbeeren aus dem Vogelsberg, im Winter liefert der gleiche Betrieb Weihnachtsbäume. So erweiterte sich das Angebot Stück für Stück. Irgendwann kamen Beetpflanzen aus einer Gärtnerei in der Umgebung hinzu, dann kleine Geschenkartikel. Eine Frau aus Wolferborn verkauft selbstgemachte Grußkarten im „Hofstüberl“. Auch Feinkostspezialitäten, etwa Liköre, Gewürze oder Dips, kamen irgendwann hinzu.

Über Verwandtschaft von Sabine Daschmann kam das Paar in Kontakt zu einem Hof in Südtirol, ein Bekannter dort fährt wöchentlich rüber nach Deutschland und beliefert ihn mit Produkten aus der beliebten Urlaubsregion in Norditalien – Schüttelbrot, Speck und Schinken, verschiedene Alm- und Bergkäse. „Diese Produkte bekommt man hier sonst nicht. Und sie werden gut angenommen: Wir bieten inzwischen zwölf verschiedene Sorten Salami an“, erklärt Michael Schmidt. Das neueste Angebot gibt es erst seit einer Woche: frisch gekochte Wildgerichte in der Dose von einem Chefkoch aus Michelstadt im Odenwald, der durch die Corona-Krise aktuell nicht arbeiten kann. Auch das Wild stammt aus dem Odenwald.

Vieles in Bio-Qualität

Viele Produkte im „Hofstüberl“ sind Bio-Qualität. Dabei kommt es Michael Schmidt darauf gar nicht vorrangig an, wie er sagt: „Die Bio-Zertifizierung kostet für die Landwirte. Inzwischen gibt es auch in der konventionellen Landwirtschaft so viele Auflagen, dass es darauf nicht mehr so sehr ankommt.“ Die Qualität ist es, worum es ihm geht. „Wir verkaufen keine Supermarktware“, sagt Schmidt ganz klar.

Wenngleich das Sortiment inzwischen fast alles bietet, was man auch in einem Supermarkt kaufen könnte. Immer öfter sagten Kunden etwas wie: „Haste nicht noch eine Sahne da? Dann muss ich nicht noch woanders hin.“ So passte das Paar das Angebot nach und nach an. „Die Menschen sind es eben gewöhnt, fast rund um die Uhr alles verfügbar zu haben, das haben die Märkte einem so antrainiert“, meint Schmidt. Oft genug fragten Leute das Paar, wieso der Laden erst um 11 Uhr öffnet. Wie viel Arbeit dahintersteckt und dass sie inzwischen kaum mehr Zeit zum Schlafen haben, wüssten die wenigsten, meinen sie. „Viele beschweren sich über die Ware im Supermarkt. Bei Kartoffeln aus Ägypten etwa. Muss das wirklich sein?“, meint Sabine Daschmann. Kartoffeln gebe es schließlich genug in der Wetterau. „Der Geschmack von regionalen, frisch produzierten Waren ist einfach ein ganz anderer. Ich könnte auch Zitronen oder Mandarinen im Netz kaufen, von denen zwei oder drei mit Sicherheit schon schlecht sind“, ergänzt Schmidt. „Viele Kunden sehen das auch so und schätzen unseren Laden deshalb sehr.“

Denn genau das ist es, was das „Hofstüberl“ ausmacht: Michael Schmidt und Sabine Daschmann machen alles selbst. Keine Zwischenhändler, also auch keine Lieferketten, keine Großkonzerne, nichts aus Massenproduktion. Sie wissen, wie die Tiere gehalten werden, dort, wo sie einkaufen, und können garantieren, dass ihre Ware nicht nachbehandelt worden ist. Damit alles frisch ist, fahren sie mehrmals in der Woche zu den Landwirten. Auch der Abfall wird auf ein Minimum reduziert: Bleiben im Sommer zum Beispiel Beeren liegen, werden sei zu Marmelade verarbeitet und verkauft. Übriggebliebenes Gemüse geht an die Landwirte, die es an ihre Tiere verfüttern. So viel Ware wie möglich wird unverpackt ge- und verkauft.

Steigende Nachfrage

Dass die Nachfrage an regionalen Produkten steigt, können Sabine Daschmann und Michael Schmidt bestätigen: „Immer mehr Menschen sehen das und schätzen unser Angebot.“ Neben den Stammkunden kommen jede Woche auch neue, die neugierig aufs „Hofstüberl“ sind. Zweieinhalb Jahre dauert es, meint Michael Schmidt, bis ein fester Kundenstamm sich etabliert hat. Für die Zukunft wird sich das Paar weiterhin von der Nachfrage der Kunden leiten lassen. Für den Sommer planen sie, sofern Corona es zulässt, regionales Eis anzubieten und ein paar kleine Tische und Stühle im Hof aufzustellen. Irgendwo ziehen aber auch sie eine Grenze: Der Einfluss der Corona-Krise auf die Wirtschaft führt zu steigenden Transportkosten bei Lebensmitteln aus dem Ausland. „Ab einem gewissen Preis ist bei uns eine Grenze erreicht. Dann haben wir eben mal keine Gurken oder keinen Brokkoli.“

„Wir werden es wohl schaffen“

Von Inge Schneider
KA 21.12.

BÜDINGEN. Es ist der Samstag vor dem vierten Advent, Büdingen glänzt im weihnachtlichen Schmuck, die Schaufenster sind festlich und liebevoll dekoriert – nur die üblichen Kundenscharen sucht man vergebens: Der zweite Lockdown hat den gewohnten Handel zum Erliegen gebracht.

„Der Gewerbe- und Verkehrsverein unter der Führung von Tanja Kolb hat die zweite Corona-Welle und die nachfolgende Entwicklung kommen sehen“, sagt Christine Brand, Inhaberin von Kraft-Schuhmode in der Vorstadt. Gemeinsam mit Schwiegertochter Katrin Seybold und Azubi Julia Herrmann hält sie, wie viele ihrer Kollegen, vor Ort die Stellung. „Wir sind diesmal besser vorbereitet als beim ersten Lockdown im Frühjahr. Zudem bietet uns die hessische Gesetzgebung, anders als zum Beispiel in Bayern, die Möglichkeit, einen kontaktlosen Bestell- und Abholservice aufrechtzuerhalten und dafür zumindest die Ladentür und eine Theke direkt im Eingangsbereich der Geschäfte bereitzustellen.“ Bei genauerem Hinsehen nutzen viele Geschäfte in Büdingens Vor-, Neu- und Altstadt diese Möglichkeit.

„Unsere Homepage www.gewerbevereinbuedingen.de bietet das, was man heutzutage ,Click & Collect‘ nennt: Man bummelt virtuell, hat die vielen Geschäfte, die bei der Aktion des Gewerbevereins mitmachen, übersichtlich auf dem Bildschirm, wählt aus, bestellt per Click und holt alles ohne Lieferwege vor Ort ab“, erläutert Christine Brand. „Andere Kunden bestellen telefonisch, per E-Mail oder sie schicken uns via Smartphone ein Bild unserer Schaufenster, auf dem sie ihr Wunsch-Schuhpaar markiert haben.“ Innerhalb Büdingens und der Ortsteile liefert Kraft-Schuhmode kostenlos aus, ab einem Bestellwert von 60 Euro auch darüber hinaus. „Wir sind schneller, günstiger und darüber hinaus umwelt- und klimaschonender als der Online-Großhandel“, betont Brand, die von der Überlastung der Postboten und vom hohen Retouren-Aufkommen gerade im Bereich Mode, das heißt vor allem Bekleidung und Schuhe, berichtet. „Unglaubliche 60 Prozent aller in diesem Bereich online bestellter Waren gefällt oder passt nicht und geht zurück. Man redet viel von persönlichen Beiträgen zum Umweltschutz: Da können der stationäre Handel und seine Kunden wirklich einen konkreten Beitrag dazu leisten. Denn dank guter Beratung sind Retouren und Umtausch beim Kauf vor Ort so gut wie ausgeschlossen – es ist die viel beschworene Win-Win-Situation für alle Beteiligten, sagt Christine Brand. Abschließend berichtet sie von der noch größeren Kundennähe, dem Zusammenrücken und den zahlreichen Sympathiebekundungen in Form von Post, selbst gebackenen Plätzchen und kleinen Präsenten. „All das tut uns Gewerbetreibenden so gut – hoffentlich bleiben die Nähe und die Einsicht in die Bedeutung des lokalen Handels auch nach Corona bestehen. Natürlich ist der aktuelle Umsatz nur ein Tropfen auf den heißen Stein, verglichen mit den sonstigen Zahlen in der Weihnachtszeit. Aber dank unserer Vorbereitung, den technischen und gesetzlichen Möglichkeiten sowie der Treue unserer Kunden werden wir es wohl schaffen, zumindest die meisten von uns“, schließt die Geschäftsinhaberin nachdenklich.

Auf der Straße findet man das Kundenwohlwollen sofort bestätigt: Roswitha Reutzel aus Kefenrod wartet vor der Blumen-, Geschenk- und Deko-Boutique „Wunschwerk“ geduldig, bis der Herr vor ihr sein adventliches Gesteck abgeholt hat. Online-Bestellungen bei den Versandgiganten kommen für sie in der diesjährigen Vorweihnachtszeit nicht in Frage. „Dank des Bestell- und Abholservices kann man die Geschenke zu Hause auswählen, vor Ort abholen und kontaktlos bezahlen. Das ist unkompliziert, sicher und es nutzt den einheimischen Geschäftsleuten. Es täte mir in der Seele leid, wenn sie diesen zweiten Lockdown nicht überstünden.“

Eine ganz ähnliche Wahl tritt Kundin Corinna Reinhardt, selbst Geschäftsfrau und Friseurin aus Düdelsheim, vor Fannys Café am Jerusalemer Tor: „Hier decke ich mich mit meiner Familie auch in diesen Zeiten zum Kaffee ein. Dafür nehme ich die kleine Anfahrt auf mich und komme sogar am ersten Feiertag. Sinya Merchants Kuchen und Torten sind etwas vollkommen anderes als abgepackte Ware aus dem Supermarkt.“ Die angesprochene Geschäftsinhaberin und ihre junge Mitarbeiterin Helena Jochem freut der Zuspruch. Ihre Kaffee-, Kuchen- und Tortekarte liest sich wie ein kulinarisches Wintermärchen: Gewürz- und Zimtstern-, Apfel-Mandel- und Birne-Walnuss-Kuchen, Nougat-, Eierlikör- und Pfirsich-Mango-Torte stehen für die Sorgfalt und Liebe, mit der dort gebacken und konditorisch gearbeitet wird.

Bei Helga Fink in der Geschenk-Boutique „Pünktchen“ inmitten der Neustadt kann man neben den bereits genannten Bestellmöglichkeiten auch vor Ort auf das Gewünschte deuten und durch die Schaufensterscheibe zusehen, wie das Geschenk geschmackvoll verpackt wird.

Mitarbeiterin Pauline Wolf vom Uhren- und Schmuckgeschäft Türck hat bald Feierabend und geht ins Wochenende – doch am heutigen Montag und bis Heiligabend öffnet die alteingesessene Juweliersfamilie unter Inhaberin Stefanie Kleta-Schubert ihre Türen unter Auflagen für die Kunden und steht gern zur telefonischen Beratung und Vorbestellung bereit. Goldschmiedemeisterin Sabine Alzheimer und ihre Kollegin Andrea Morin haben zwar ihr Ladengeschäft geschlossen, der Werkstattbetrieb mit Annahme und Abholung läuft jedoch weiter.

Wie viele andere Gastronomen hat die Pizzeria „La Locanda“ ebenfalls auf Bestell- und Abholservice umgestellt. Nur für die beliebten kleinen Eckkneipen wie die „Pressluft“, die von ihrer gemütlichen Enge und dem Verkauf von Getränken vor Ort leben, gibt es aktuell keine Öffnungschance. „Wege Corona geschlossen“ steht auf dem Türschild. Dahinter verbirgt sich möglicherweise eine unternehmerische Existenz in Gefahr.

Kleine Läden in Ortsmitten fördern

von Florian Leclerc
FR / 18.12.2020

Die Stadt schließt Einkaufszentren außerhalb der Innenstadt, der Stadtteilzentren und den Ortsmitten aus. Vorbild für das neue Konzept liefert ein Stadtteil in Wien.

Die Stadt will den Einzelhandel in Ortsmitten, Stadtteilzentren und in der Innenstadt fördern und Einkaufszentren außerhalb dieser Einkaufszonen verhindern. Das sieht das „Einzelhandels- und Zentrenkonzept“ vor, das der Magistrat am Freitag beschlossen hat. In der kommenden Woche wird das Konzept in der Stadtparlamentspost veröffentlicht. Ihm liegt eine Ausarbeitung von 2011 und die Fortschreibung von 2017 zugrunde.

Beabsichtigt sei, die Stellplatzsatzung zu ändern, sagte Mark Gellert, der Sprecher des Planungsdezernats. Demzufolge könnte der Einzelhandel zusätzliche Parkplätze beanspruchen. Das aber steht im Kontrast zu Erkenntnissen der Mobilitätsforschung. Demnach kaufen Fußgänger:innen und Fahrradfahrer:innen übers Jahr gerechnet häufiger ein und lassen mehr Geld im Einzelhandel als Autofahrer:innen.

In Grundzügen vorgestellt wurde das Konzept, an dem die IHK Frankfurt und der Handelsverband Hessen-Süd mitgewirkt haben, am Freitag von Wirtschaftsdezernent Markus Frank (CDU) und Planungsdezernent Mike Josef (SPD).

Wiener Stadtteil als Vorbild

Nach dem Vorbild des Stadtteils „Seestadt Aspern“ in Österreichs Hauptstadt Wien soll eine Betreibergesellschaft die Bewirtschaftung von Erdgeschossflächen in Einkaufsstraßen koordinieren. Kleine Läden könnten so eine günstigere Miete erhalten als große Ketten, führte Gellert aus.

„Dadurch soll neben einer attraktiven Nahversorgung auch die Ansiedlung anderer gewerblicher und sozialer Nutzungen von Anfang an aktiv unterstützt werden“, teilten Frank und Josef mit. Dafür könnten auch Bebauungspläne geändert werden. „Die Stadt bekräftigt ihren Willen zur Steuerung der Einzelhandelsentwicklung, um starke und lebendige Ortsmitten, Stadtteilzentren und die Innenstadt zu erhalten und auf eine fußläufige Nahversorgung hinzuwirken“, sagte Josef.

„Einzelhandel soll vorrangig in die Zentren gelenkt und Ansiedlungen außerhalb der Zentren nicht begünstigt werden. Gewerbe- und Industriegebiete sind für das produzierende Gewerbe vorzuhalten“, sagte Frank.

Die Wirtschaftsförderung Frankfurt will ihr Leerstandsmanagement neu aufstellen, um Leerstand zu erfassen und zu managen. Das betrifft aber nur das Gewerbe, nicht den Leerstand von Wohnraum.